Lothar Spieker
Geboren 1950 in Blomberg/Lippe
Studium von 1972 bis 1987 Nachrichtentechnik/Kommunikationstechnik, Pädagogik, Psychologie, Politik und Japanologie in Hannover und Berlin.
1976 Diplom Ing. Nachrichtentechnik, 1980 erstes Staatsexamen zum höheren Lehramt, 1984 zweites Staatsexamen, 1985 StR. für Kommunikationstechnik und ab 1999 im Bereich der Bildgestaltung für Mediengestalter Bild und Ton tätig. Seit 2016 freischaffender Künstler.
Parallel dazu seit 1969 Zeichnungen und Druckgrafiken, ab 1974 hauptsächlich Bleistiftzeichnungen und Ölbilder. Studienaufenthalte in den Niederlanden, Spanien, Indien, Nepal und Tibet.
Gedanken zur Kuh
Elementar und mythologisch ist die Kuh, ein monumentales Symbol für den Kreislauf des Lebens, dem man in alten Zeiten göttliche Verehrung erwies. Der Weltkuh Audhumbla, die dem Riesen Yme, dem ersten menschenähnlichen Wesen, das Leben rettete, indem sie ihn säugte. Man schaue nur in die Augen, es ist wie der Blick in den geheimnisvollen Abgrund eines Nachthimmels, und war nicht die Göttin der Weisheit, Pallas Athene, kuhäugig.
Der Atharvaveda, eine der heiligen Textsammlungen des Hinduismus, schreibt „die Kuh ist Vishnu, der Herr des Lebens“. Vishnu gilt in der hinduistischen Dreifaltigkeit als Erhalter. Auch heutige Hindus begründen die besondere Stellung des Tieres mit der Aussage, dass die Kuh eine Mutter sei, die Menschen alles zum Leben gebe. Sie ist ihnen ein Symbol für Fürsorge und Lebenserhaltung.
Üppig und wachstumsduftend ist sie die Amme der Menschenkinder rings auf der Erde, eine Beschützerin und dienstbarer Geist ihres extravaganten nahen Verwandten und durchtriebenen Ausbeuters, des Homo sapiens, in dessen Sprache die Kuh gegenwärtig nur noch als lächerlich machendes Vergleichsobjekt enthalten ist.
Warum Kühe
Die Sache mit den Kühen ist eigentlich ganz schnell erzählt.
Wenn mich nicht alles täuscht fing es 1970 mit einer Eisenbahnfahrt von Bombay nach Madras an. Damals reiste ich dritter Klasse und meine Mitreisenden hatten es sich im Abteil gemütlich gemacht, übrigens neben mir, über mir im Gepäcknetz oder besser gesagt in dem was davon übrig war. Während der dreitägigen Fahrt teilweise auch unter mir, wenn man Ziegen und ähnliche Haustiere zu den Mitreisenden zählt. Die Landschaft flog vorüber und ich genoss meine exotische Umgebung.
Endlich Madras Hauptbahnhof, von Menschen überfluttete Bahnsteige, fremdartige Gerüche, unverständliches Stimmengewirr und die Suche nach meinem Anschluss zum Ashram von Sri Aurobindo in Pondicherry. Weiter quer durch die Stadt zum Busbahnhof, wobei mich der Weg durch eine dieser engen Gassen führte, die praktisch nur aus festgetretener Erde bestehen gesäumt von hohen Mauern mit einem Rinnsal in der Mitte. In solch einer Gasse steht mir plötzlich ein übermannsgroßer Stier mit riesigen Hörnern gegenüber und weit und breit keine Menschenseele. Nun ich zähle mich nicht zu den ganz ängstlichen Menschen, aber als dieser riesige Stier auf mich zu kam ….. mich mit seinen großen, wunderschönen, schwarzen Augen ansah und friedlich an mir vorüber schritt, schien sich etwas verändert zu haben.
Als ich dann noch einige Tage später, schon im Ashram wohnend, von einem Maler in sein Atelier eingeladen wurde und ich dort dieses Bild sah.
Über eine Breite von mehreren Metern kamen mir Kühe entgegen, nichts als Kühe, bis zum Horizont Kühe und dahinter nur die aufgehende Sonne.
Ja, dort ist es wohl geschehen.